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Fach-Publikation: Ästhetische Blepharoplastik unter Lachgassedierung

Ästehetische Blepharoplastik unter Lachgassedierung
Plastische Chirurgie Köln

Fach-Publikation: Ästhetische Blepharoplastik unter Lachgassedierung

Fachbeitrag im Magazin für Ästhetische Chirurgie (MÄC) von Dr. Dr. med. Matthias Siessegger (Plastischer Gesichtschirurg) und Dr. med. Frank G. Mathers (Anästhesist) zur ästhetischen Blepharoplastik (Lidstraffung) unter Lachgassedierung.

M. Siessegger – aesthetische medizin koeln, Köln, F. G. Mathers – Institut für dentale Sedierung, Köln

Ästhetische Blepharoplastik unter Lachgassedierung

Übersicht über eine „neue“ Sedierungsoption in der Ästhetischen Chirurgie

Die Ästhetische Blepharoplastik ist einer der in Deutschland am häufigsten durchgeführten, dermatochirurgischen Eingriffe in der Ästhetischen Chirurgie. Traditionell wurde die Blepharoplastik in Lokalanästhesie durchgeführt. Durch die Einführung der Larynxmaskennarkose konnte zuletzt jedoch ein Trend zur Allgemeinanästhesie beobachtet werden. Die Erkenntnisse einer neuen klinischen Vergleichsstudie geben Hinweise, dass die Lachgassedierung eine „neue“, dritte Sedierungsoption für die Ästhetische Chirurgie darstellen könnte.

Die Augenpartie bildet einen wichtigen Teil der Gesichtsästhetik und ist eine sehr exponierte Zone, an der sich Alterungsprozesse sehr deutlich zeigen. Typische Alterserscheinungen wie Falten, Tränensäcke, Augenringe, Ptosis (Hängelider), Blepharcochalasis (Schlupflider), Entropium oder Ektropium (Ein- bzw. Auswärtsdrehung des Augenlids) sind dabei nicht nur offensichtliche Zeichen des fortschreitenden Alters, sondern häufig auch mit Einschränkungen des Gesichtsfeldes assoziiert.

Im Rahmen einer ästhetischen Blepharoplastik kann das Aussehen und die Funktion der Augenpartie optimiert bzw. erhalten werden. Überschüssige Haut sowie periorbitales Fett werden bei dieser Intervention entfernt bzw. transponiert und der Muskulus orbicularis okuli diskret getrimmt. Das Verfahren wird in Deutschland von den Vertretern der Fachdisziplinen Ophthalmologie, MKG-Chirurgie, Plastische Chirurgie sowie Dermatologie durchgeführt.

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Wahl des anästhesiologischen Verfahrens

Eine Blepharoplastik kann unter Lokal- oder Allgemeinanästhesie durchgeführt werden, wobei die Wahl des anästhesiologischen Verfahrens von Fall zu Fall entschieden werden sollte. Die Herausforderung besteht stets darin, unter Berücksichtigung vorhandener Ressourcen und Kostenüberlegungen ein vernünftiges Gleichgewicht zwischen der Sicherheit bzw. dem Komfort des Patienten und einem optimalen Operationsergebnis zu finden.

Bei ambulanter Behandlung wird traditionell auf die Lokalanästhesie gesetzt, wobei zuletzt – aufgrund der Einführung der Larynxmaskennarkose – durchaus ein Trend zur anästhesiologischen Begleitung zu beobachten ist. Beide Verfahren bieten Vor- und Nachteile, die es gegeneinander abzuwägen gilt [vgl. Tabellen 1 und 2].

Auch in der Zahnmedizin stellt sich im Hinblick auf die Behandlung von Kindern und Angstpatienten oder bei sehr anspruchsvollen, oralchirurgischen Eingriffen häufig die Frage, ob eine Behandlung unter Lokalanästhesie oder anästhesiologischer Begleitung stattfinden sollte. In den USA, Großbritannien oder Skandinavien setzen Zahnärzte häufig auf einen „Mittelweg“ und kombinieren die Lokalanästhesie mit einer Lachgassedierung. In manchen Ländern wird Lachgas (N2O) in 90% der Zahnarztpraxen – v.a. in der Kinderzahnheilkunde – eingesetzt [Wilson 1996].

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Lachgas: Zusätzliche Sedierungsoption in der Ästhetischen Chirurgie?

Auch deutsche Oralchirurgen und Zahnärzte kombinieren zunehmend die Lokalanästhesie mit einer Lachgassedierung, um u.a. eine konstruktivere Arbeitsatmosphäre herzustellen und die psychische Belastung des Patienten zu reduzieren.

Das Verfahren wird im Dentalbereich als effektive und sichere Methode der Anxiolyse geschätzt, das unabhängig vom Anästhesisten durchgeführt werden kann [Mathers, 2010] [s. Abb. 1]. Zudem wurde die Lachgassedierung im Jahr 2012 in Deutschland neu standardisiert [Mesgarian et al. 2012].

Die üblicherweise verabreichten Konzentrationen von 30-70% Lachgas führen beim Patienten zu einem Bewusstseinszustand, der von Entspannung und psychischer Entkopplung gekennzeichnet ist und mit einer hypnotischen Trance verglichen werden kann. Optimale Sedierungsergebnisse werden i.d.R. zwischen 30-50% Lachgas erreicht [Mathers, 2011] [s. Abb. 2]. Zudem wird neben der anxiolytischen Komponente auch ein analgetischer Effekt erzielt. Die Wirkung tritt innerhalb von Minuten ein und die Wirkstärke bzw. die Sedierungstiefe kann jederzeit durch eine Änderung der eingeatmeten Lachgaskonzentration kontrolliert werden. Patienten bleiben wach, atmen selbständig und sind in der Lage, adäquat auf Außenreize zu reagieren, z. B. wenn der Operateur um einen Augenlidschluss bittet.

Weder die Atmung noch das Herz-Kreislauf-System werden bei gesunden Patienten beeinträchtigt; alle Atem- und Schutzreflexe des Patienten bleiben während der Behandlung vollständig erhalten. Durch Zurücknehmen des Lachgases und Verabreichen von hochprozentigem Sauerstoff kann die Sedierung nach einem Eingriff innerhalb von Sekunden bis wenigen Minuten aufgehoben werden, und der Patient ist innerhalb kurzer Zeit wieder bei vollem Bewusstsein.

Es stellt sich daher die Frage, ob die Lachgassedierung in Kombination mit einer Lokalanästhesie – insbesondere bei ambulanten Eingriffen – auch in der Ästhetischen Chirurgie eine zusätzliche Option zur Sedierung der Patienten darstellen könnte. Zur Beantwortung dieser Frage führte der Autor in Zusammenarbeit mit dem Kölner Institut für dentale Sedierung eine klinische Studie in seiner Praxis „aesthetische medizin koeln“ durch.

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Vergleichsstudie: Ästhetische Blepharoplastik unter Lachgassedierung

Die Studie umfasste 52 Patienten im Alter zwischen 38 und 68 Jahren, die eine Blepharoplastik der Oberlider (jeweils beide Seiten, mit Haut-, Muskel- und Fettresektion) erhielten. Davon waren 78% weiblich und 22% männlich. Das mittlere Alter der Patienten betrug 52 Jahre (SD 6,814). Die Patienten wurden anhand einer einfachen Randomisierung in die folgenden Vergleichsgruppen aufgeteilt:

a) Allgemeinanästhesie (Larynxmaske) (n=22, mittleres Alter 51 Jahre, SD 6,671),
b) Lokalanästhesie (n=12, mittleres Alter 53 Jahre, SD 8,464) und
c) Lokalanästhesie + Lachgassedierung (Nasenmaske) ( (n=18, mittleres Alter 52 Jahre, SD 5,483).

Ermittelt wurden dabei jeweils die OP-Zeit und die Zufriedenheit der Patienten (anhand eines standardisierten Fragebogens). Zudem wurde untersucht, wie zufrieden der Operateur mit dem jeweiligen anästhesiologischen Verfahren ist. Dazu wurde – in Anlehnung an die Houpt Behavior Rating Scale – dokumentiert, wie das Verhalten der Patienten aus Sicht des Operateurs und im Hinblick auf einen reibungslosen OP-Ablauf zu bewerten ist (Stufen 1=OP-Abbruch bis 6=exzellent).

1. OP-Zeit

Die durchschnittliche OP-Zeit einer Ästhetischen Blepharoplastik unter Allgemeinästhesie betrug im Rahmen der Studie 42 Minuten und ist damit deutlich kürzer als die gemessene OP-Zeit bei einer Lokalanästhesie (59 Minuten, -17 Minuten). Auch die Kombination aus Lokalanästhesie + Lachgas zeigt einen deutlichen Zeitgewinn gegenüber der einer reinen Lokalanästhesie (- 10 Minuten) und ist mit durchschnittlich 49 Minuten geringfügig zeitaufwendiger als die Allgemeinanästhesie [siehe Tabelle 3].

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2. Patientenzufriedenheit

Zur Beurteilung der Patientenzufriedenheit wurden die Patienten im unmittelbaren Anschluss an die Behandlung (bzw. nach dem Aufwachen) gebeten, die Eindrücke der Behandlung mit zwei einfachen Ja/Nein Fragen zu beurteilen.

Frage 1: Verspürten Sie während der Behandlung unangenehme Schmerzen?

Während alle Patienten (100%), die unter Allgemeinanästhesie behandelt wurden, schmerzfrei waren, berichteten 33% der Lokalanästhesie-Gruppe und 17% der Lachgas-Gruppe von unangenehmen Schmerzen während der Behandlung [Tabelle 4].

Frage 2: Würden Sie sich wieder für die gewählte Anästhesieform entscheiden?

Jeweils etwa 8 von 10 Patienten, die im Rahmen einer Allgemeinanästhesie (82%) oder unter Lokalanästhesie + Lachgassedierung (78%) behandelt wurden, würden sich auch bei einem weiteren Eingriff für diese Anästhesieform entscheiden. Die Zustimmung der Lokalanästhesie-Gruppe fällt mit durchschnittlich 58% geringer aus [siehe Tabelle 5].

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3. Zufriedenheit des Operateurs

Jeder Eingriff wurde vom behandelnden Chirurgen hinsichtlich der anästhesiologischen Rahmenbedingungen bewertet. Hierzu wurde – in Anlehnung an die Houpt Sedation Rating Scale – die im Folgenden aufgezeigte 6-stufige Einteilung vorgenommen.

6 – exzellent: Keine störenden Bewegungen, keinerlei Störung des Behandlungsablaufs
5 – sehr gut: Geringfügig störende Bewegungen, ohne Störung des Behandlungsablaufs
4 – gut: Mehrfach störende Bewegungen, Behandlung wurde abgeschlossen
3 – befriedigend: Häufig störende Bewegungen, Behandlung wurde abgeschlossen
2 – ausreichend: Unterbrechung der OP, Eingriff wurde nur teilweise abgeschlossen
1 – OP-Abbruch: OP wurde ohne Ergebnis abgebrochen

Die im Rahmen der Studie gemessene Zufriedenheit des Operateurs unterscheidet sich im Hinblick auf die untersuchten Anästhesieformen nur unwesentlich und ist insgesamt sehr gut bis exzellent, wobei auch hier die Allgemeinanästhesie mit einem Score von 5,8 die höchste Einstufung erreicht und die Kombination von Lokalanästhesie + Lachgassedierung (5,4) der reinen Lokalanästhesie (5,1) überlegen ist [siehe Tabelle 6, oben]. Im Rahmen der Studie ist es bei keinem der angewendeten Verfahren zu einem Behandlungsabbruch gekommen.

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Wirkungsweise Lachgas

Lachgas wird über eine Nasenmaske verabreicht, die den Patienten zum einen mit Lachgas und Sauerstoff versorgt und zum anderen ausgeatmetes Lachgas absaugt. Wie andere inhalative Anästhetika wird Lachgas über die Lunge aufgenommen, im Blut gelöst und im zentralen Nervensystem absorbiert, wo es seine Wirkung entfaltet. Wie bereits erläutert führen die üblicherweise verabreichten Konzentrationen von 30-50% Lachgas zu einem Bewusstseinszustand, der von Entspannung und psychischer Entkopplung gekennzeichnet ist [s. Abb. 3].

Lachgas ist in Blut relativ unlöslich (Blut/Gas-Koeffizient 0,47), sodass es schnell zu einer Angleichung der alveolären Konzentration in der Lunge und der Konzentration im Blut kommt. Dieses Phänomen, gepaart mit einer hohen Lipidlöslichkeit, die für die Verteilung im zentralen Nervensystem notwendig ist, führt innerhalb von Minuten zum Wirkungseintritt. Die Wirkstärke beziehungsweise Sedierungstiefe kann durch eine Änderung der eingeatmeten Lachgaskonzentration schnell verändert werden.

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Gemessen an der equipotenten Konzentration ist Lachgas das schwächste inhalative Anästhetikum. Dies sollte jedoch nicht zu der Annahme verleiten, dass es  sich dabei um ein schwaches Analgetikum handele. Bereits im Jahre 1943 konnte an der Harvard Medical School gezeigt werden, dass 20% Lachgas die gleiche analgetische Potenz besitzt wie 15 mg Morphin subkutan. Es wird angenommen, dass die opiatähnlichen Eigenschaften von Lachgas, d. h. Analgesie und Euphorie, teilweise durch eine Endorphinausschüttung hervorgerufen werden.

Lachgas beeinträchtigt die Atmung nur im geringen Ausmaß, sodass dies im klinischen Alltag bei gesunden Patienten nicht von Bedeutung ist. Allerdings verursacht Lachgas eine deutliche Dämpfung der peripheren Chemorezeptoren und bedingt dadurch eine problematische Unterbindung der Gegenregulation der Atmung im Falle einer Hypoxie. Dieser Mechanismus und der sogenannte Konzentrationseffekt  („Second Gas Effect“ ) haben in der Frühphase der Lachgasanwendung zu einer hohen Morbidität und Mortalität geführt, da zum Teil hohe Konzentrationen von bis zu 80 % verabreicht wurden. Zur Sedierung werden heute Konzentrationen von bis zu 50% angewendet und heute erhältliche Applikationssysteme verfügen zudem über eine installierte Lachgassperre, die Konzentrationen von über 70% Lachgas verhindert.

Lachgassedierung kombiniert Vorteile

Auf Basis der ermittelten Studienergebnisse und der beschriebenen Wirkung von Lachgas ist festzustellen, dass sich mit der Kombination aus Lokalanästhesie und Lachgassedierung zahlreiche Vorteile der aktuellen Standardverfahren (Lokalanästhesie und Allgemeinanästhesie) bündeln lassen bzw. die jeweiligen Nachteile umgangen werden können [s. Tabelle 7].

So werden sowohl die Nachteile einer reinen Lokalanästhesie (verlängerte OP-Zeit, größeres Risiko für Blutungen, größerer psychischer Stress) als auch die Nachteile der Allgemeinanästhesie (körperliche Belastung, keine Interaktionsmöglichkeit, längere Erholungszeit, Notwendigkeit eines Anästhesisten) größtenteils ausgeglichen.
Die relativ große Nasenmaske stellte in der vorgestellten Studie zwar kein Hindernis für den Operateur dar, schließt den Einsatz der Lachgassedierung im Rahmen einer Rhinoplastik jedoch grundsätzlich aus.

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Fazit

Die Ergebnisse der durchgeführten klinischen Studie und die in den letzten Jahren positiven Erfahrungen deutscher Oralchirurgen und Zahnärzte sind vielversprechend und untermauern die These, dass Lachgas in Kombination mit einer Lokalanästhesie eine weitere effektive und komfortable Sedierungsoption für die Ästhetische Chirurgie darstellen könnte. Insbesondere für den ambulanten Praxisbetrieb, beispielsweise bei kleineren dermatochirurgischen Eingriffen, scheint Lachgas eine sinnvolle Alternative zu den bisher gängigen Standardverfahren zu sein. Auch im Hinblick auf sehr nervöse oder ängstliche Patienten, die beispielsweise unter einer Spritzenphobie leiden, könnte durch die anxiolytische Wirkkomponente mit Lachgas eine Lücke geschlossen werden. Zur weiteren Beurteilung sind umfassendere Studien notwendig, die ggf. auch den Einsatz bei größeren Interventionen (z.B. Facelift, aber auch Liposuktion in Tumeszenz) untersuchen.

Literatur

[1] Wilson S, A survey of the American Acadamy of Pediatric Dentistry membership: nitrous oxide and sedation. Pediatr Dent (1996), 18, 287-293
[2] Mathers FG, Lachgas spielt zunehmend eine Rolle in deutschen Zahnarztpraxen. DZW (2010), 27/10, 10
[3] Mesgarian M et al., Deutsche Ausbildungsstandards für die dentale Sedierung mit Lachgas. ZWR (2012), 121(11), 572-579
[4] Mathers FG, Dentale Sedierung – Lachgas und orale Sedativa in der Praxis (2011), 25-73. Deutscher Zahnärzte Verlag, Köln